
Rebhühner bei Alt Ungnade gesichtet
Beobachtung, Bedeutung, Interview & Beteiligung
1. Rebhühner bei Alt Ungnade gesichtet
Am 19.02.2025 wurden in den Abendstunden – es war bereits dunkel – auf den Feldern nordwestlich von Alt Ungnade Rebhähne gehört.
Dies wurde durch den Ornithologen Benjamin Weigelt – Koordinator des Rebhuhnmonitorings MV – bestätigt. Er konnte auf der Aufnahme zwei Rebhähne identifizieren, die in Balzstimmung waren.
2. Erste Beobachtung bei Dunkelheit – Zwei Rebhuhnhähne im Balzruf
Die Tonaufnahme ließ aufhorchen: Zwei Rebhuhnhähne waren deutlich zu hören – ein klares Zeichen für Balzverhalten.
3. Videoaufnahme bei Tageslicht – Eine Gruppe von acht Tieren
Drei Tage später war die Freude noch größer: Die Rebhühner konnten bei Tageslicht gesehen, gehört und sogar gefilmt werden.
Zu sehen war eine Gruppe von mindestens acht Tieren. Laut Benjamin Weigelt handelt es sich um einen Zusammenschluss eines Familienverbandes oder mehrerer Familien – eine sogenannte ‚Kette‘ –, ein Verhalten, das im Winter typisch ist.
4. Warum ist diese Sichtung so besonders?
Vor 45 Jahren wäre eine solche Beobachtung keine Seltenheit gewesen. Das Rebhuhn war damals noch flächendeckend in der Agrarlandschaft vertreten. Heute sieht das anders aus:
Der Bodenbrüter gilt laut der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands als „stark gefährdet“. Seit 1980 ist ein dramatischer Rückgang der Art um 92 % zu verzeichnen.
5. Was braucht das Rebhuhn zum Überleben?
Die Gründe für diesen Rückgang sind vielfältig:
- Flurbereinigung
- Intensivierung der Landwirtschaft
- Einsatz von Pestiziden
- Verlust strukturreicher Lebensräume
Rebhühner benötigen laut Benjamin Weigelt:
„…Brachflächen, Ackergebiete mit genügend Hecken und Feldrainen, Gebüschgruppen, Sölle mit ausreichender Deckung und auch Verbundbiotope – sprich Heckenstrukturen von einem Soll oder Feldrand zum anderen oder einer kleinen Brache oder auch Heckenlandschaft. Grünländereien sind für die Tiere auch in Ordnung, wenn sie nicht zu großflächig gegliedert sind.“

6. Interview mit Benjamin Weigelt: Bestand, Lebensraum und Schutz des Rebhuhns

Herr Weigelt, wie bewerten Sie die Beobachtung der Rebhühner bei Alt Ungnade?
Die Aufnahme zeigt zwei balzende Rebhähne. Das spricht klar dafür, dass sich hier Reviere bilden. Es ist ein gutes Zeichen – sie sind nicht einfach durchgezogen, sondern versuchen, sich lokal zu etablieren.


Heißt das, die Tiere sind tatsächlich in der Region heimisch?
Ja, das kann man so sagen. Die Tiere sind im Umfeld des Dorfes ansässig. Gerade balzende Männchen bleiben in der Regel ortstreu – meist innerhalb eines Radius von 5 bis 10 Kilometern. Nur wenn nicht genug Weibchen vorhanden sind, kann es zu Wanderungen in weiter entfernte Gebiete kommen.


Im Video sieht man mehrere Tiere. Was lässt sich daraus ableiten?
Vermutlich handelt es sich um eine sogenannte „Kette“ – also einen Familienverband oder mehrere, die im Winter gemeinsam unterwegs sind. Das ist typisch. Wenn man diese Gruppen im Winter zählt, kann man Rückschlüsse auf die Zahl der Brutpaare im kommenden Frühjahr ziehen – grob gesagt: Individuenzahl geteilt durch zwei.


Warum sind Rebhühner heute so selten?
Hauptgründe sind die intensive Landwirtschaft, der Verlust von Hecken und Feldrainen, Pestizide und große, ausgeräumte Felder. Rebhühner brauchen Kleinststrukturen und Rückzugsräume. Auch harte Winter setzen ihnen zu, denn sie sind keine Zugvögel. Zudem werden sie trotz Gefährdung nach wie vor bejagt – laut Bundesjagdgesetz zwischen dem 1.9. und 15.12.


Gibt es Hoffnung auf Erholung der Bestände?
Leider nein. Auch wenn es lokal erfreuliche Sichtungen gibt – insgesamt ist keine nachhaltige Erholung sichtbar. Es müsste viel mehr passieren – auf dem Acker und im Grünland. Das würde nicht nur Rebhühnern helfen, sondern auch Feldlerche, Kiebitz, Wiesenpieper und anderen Offenlandarten.


Was kann jede*r Einzelne tun?
Man kann sich aktiv am Rebhuhnmonitoring beteiligen – das ist sehr hilfreich. Über die Website des DDA kann man sich informieren und eigene Beobachtungen melden. Das unterstützt die Datengrundlage und sensibilisiert für die Situation.

7. Mitmachen beim Rebhuhnmonitoring in MV
Wer beim Rebhuhnmonitoring in Mecklenburg-Vorpommern mitmachen möchte, findet Informationen unter:
www.dda-web.de/monitoring/rebhuhn/programm
Dort lassen sich eigene Beobachtungen melden, Zählstrecken betreuen oder Erfahrungen im Monitoring sammeln. Jede Meldung zählt!
8. Ausblick und Hoffnung für das Brutjahr
Wir vom Freiraum e.V. sind gespannt, ob wir diese besonderen Vögel im Laufe des Jahres erneut beobachten können. Auch wenn die Zeit der Balzrufe nun abnimmt – die Hauptbalzzeit ist im März – wünschen wir den Rebhühnern rund um Alt Ungnade ein erfolgreiches Brutjahr mit möglichst wenigen Ausfällen.
9. Dank an Benjamin Weigelt
Ein herzliches Dankeschön geht an Herrn Weigelt für den freundlichen Austausch und die fundierten Einschätzungen. Seine Expertise hat diesen Beitrag sehr bereichert.
10. Zur Person: Benjamin Weigelt
Benjamin Weigelt ist studierter Biologe (B.Sc. Biologie, Halle/Saale) und Landschaftsökologe (M.Sc., Greifswald).
Er arbeitet als ornithologischer Fachgutachter bei der Ökologische Dienste Ortlieb GmbH in Rostock und engagiert sich ehrenamtlich für den Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) im Rebhuhnmonitoring und im Kleineulenmodul – jeweils für ganz Mecklenburg-Vorpommern.
Weiterführende Informationen
Rebhuhnmonitoring:
https://www.dda-web.de/monitoring/rebhuhn/programm
